Die Regionalität und der babylonische Kuckuck

Nach vielen Jahren, unzähligen Diskussion aus unterschiedlichsten Perspektiven und Rollen bin ich nun zum Schluss gekommen, dass der Begriff Regionalität im allgemeinen Diskurs nichts taugt und eigentlich aus diesem gestrichen werde müsste.

Was ist Regionalität? Sie kommt mit so einem einfachen und allseits vertrauten Gewand daher, dass man im ersten Moment gern schief anschaut werden darf, wenn man diese Frage stellt.

Schlussendlich stellt sich aber heraus, dass die Regionalität ein ziemlicher Populist unter den Begriffen ist, der jedem nach der Schnauze redet, um doch am Ende nichts zu sagen.

Eine Analogie aus der Statistik, die ich hierzu gerne heranziehe, soll die Behauptung illustrieren. Wir sind es gewohnt, in Durchschnitten / Mittelwerten zu denken. Mittelwerte sind so unheimlich praktisch, weil sie die Realität in nur einer Zahl widergeben und so jedem, der sie aufnimmt eine Vorstellung von Etwas gibt. In der nachstehenden Abbildung ist das orange Maxerl in Zeile 1, 2 & 3 der Mittelwert.


Abbildung – eigene Darstellung

Ja, es geht immer noch um Regionalität. Die Vorstellungen von dem, was Regionalität ist, sind so verschieden, wie die Maxerl in Zeile 1 & 4. Das kann gerne mal jeder versuchen, der nicht gerade allein zuhause sitzt: Stellen Sie die Frage, was ist „Regionalität“, verhindern Sie spontane Diskussionen und jede/r soll sich 5 – 10 Minuten Zeit nehmen und seine Vorstellung vom Begriff auf ein Blatt Papier schreiben. Und dann vergleichen sie die Ergebnisse. Wenn Sie der Meinung sind, dass der Begriff zu weit gefasst ist, dann versuchen Sie es mit „Was verbindest du mit dem Begriff Regionalität beim Einkaufen?“.

Es gibt keine Regionalität sui generis. Regionalität als Begriff haben wir uns ausgedacht, genauso wie Pokèmon und Wikipedia, nur mit dem Unterschied, dass man bei den beiden letzteren Begriffen zumindest halbwegs weiß, was gemeint ist (Zeile 3).

Und selbst wenn man glaubt, man weiß, wovon man bei Regionlität redet, wird es meistens doch noch recht schwierig:

Regional ist in einem Umkreis von 50km von meinem Wohnort!

  • 50 km Luftlinie und einem Kreis oder 50 Straßenkilometer egal in welche Richtung?
  • Darf ich dabei auch Grenzen von Bundesländern oder Staatsgrenzen überschreiten, e.g. nach Ungarn?
  • Geht es mir bei Regionalität um den CO2-Ausstoß beim Transport oder doch darum, dass die Wertschöpfung im Land bleibt, oder in der Region oder in der Gemeinde?
  • Ist es dann beim CO2-Ausstoß und den Straßenkilometern nicht wichtig, ob es sich um flache Straßen handelt oder es 50km über Tiroler Pässe geht, wo der Verbrauch dann ums 4-fache steigt? Sollten es in dem Fall dann nicht nur 12.5 km sein? Wer soll das überprüfen?Und geht es mir bei all dem nicht auch darum, dass der regionale Produzent auch ein guter Produzent ist, der seine Tiere gut behandelt und seine Produkte wertschätzt?
  • … oder irgendwie von allem etwas?

Gehen wir nun mal davon aus, dass sich all diese Aspekte in unterschiedlicher Anzahl und Ausprägung in der Wahrnehmung jedes Menschen wiederfinden, wenn er irgendwo Regionalität sagt oder Regionalität hört. Und nehmen wir noch als Prämisse mit rein, dass nicht jeder, wenn er oder sie irgendwo Regionalität hört oder mit jemanden darüber spricht, vorher eine klare Definition hierzu festlegt. Dann würde es ja bedeuten, dass wir mit hoher Wahrscheinlichkeit völlig aneinander vorbeireden. Gut, Loriot, Schulz von Thun und fast jeder Lebenspartner auf der ganzen Welt würden nun schmunzeln. Klar, Kommunikation ist an sich schon eine Herausforderung, aber es gibt Begriffe und es gibt Begriffe. Und, zieht man den Vergleich aus der obigen Abbildung heran, sollte ein Begriff, der letztlich ebenfalls nur ein Mittelwert ist, eine möglichst geringe Standardabweichung aufweisen (Zeile 3), um eine funktionale Kommunikation zu ermöglichen. Er sollte also bei möglichst vielen Menschen ein möglichst genaues Bild davon erzeugen, was gemeint ist. Bei Regionalität als „Mittelwert“ finden wir uns jedoch in Zeile 1 wieder. Ein Begriff (i.e. oranges Maxerl), der für sehr viele unterschiedliche Bedeutungsinhalte steht, wobei die konkreten Inhalte hier sehr stark variieren (i.e. hohe Standardabweichung).

Im allgemeinen Sprachgebrauch steht der Begriff Regionalität somit ziemlich alleine da (Zeile 2), da er letztlich nichts bedeutet. Er ist wie ein babylonischer Kuckuck, der in fremde Nester schleicht und die eigentlichen Begriffe aus ihren Nestern stößt.

Konklusion:
Der Begriff der Regionalität taugt im allgemeinen Sprachgebrauch nichts, da er die Vielfalt der eigentlichen Bedeutungsebenen unterwandert und somit die Leistungsfähigkeit der Sprache reduziert. Es geht daher auch nicht darum, den Begriff Regionalität durch einen anderen, „besseren“ Begriff zu ersetzen. Nein, es sollten jene Begriffe und Bedeutungen verwendet werden, welche durch den „Mittelwert“ bisher verschleiert wurden. Wenn wir hier wieder deutlicher sagen, was wir wirklich meinen (Zeile 4), müssen die jeweils anderen viel weniger Zeit dafür aufbringen, sich eine Meinung darauf zu bilden, was wir vermeintlich sagen (Zeile 1).
Und ja, lassen Sie uns über Kosten, Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit reden.

Es gibt keine richtige Wirtschaft in der falschen.

Es gibt keine richtige Wirtschaft in der falschen.

 „Werden wir statt eines Knödels mit Gulasch zehn Knödel mit Gulasch essen?“
(Q: https://www.zeit.de/2012/26/Leopold-Kohr/seite-2)

Ist das Ganze doch die Summe seiner Teile und so gesehen nur ein gedankliches Artefakt?

Je mehr sich die vielen kleinen flexiblen Elemente eines gesellschaftlichen (Sub-)Systems „fusionieren“ und nach dem vermeintlichen Ziel eines perfekten Ganzen streben, desto mehr erstarrt ihre diverse Vielfalt zu einem homogenen Ideal, dass die Realität letztlich auf eine falsche Wahrheit reduziert.

In der statistischen Betrachtung ist dieser fatale „Vereinfacher“ der Mittelwert. Ein rechnerischer Repräsentant der um ihn gestreuten Vielfalt, ein nichtssagender Vielredner, ein Populist, der in einfachen Botschaften die Komplexität der Welt erklären möchte und diese dabei doch völlig „außen“ vorlässt.

In gewisser Weise zeigt uns die aktuelle COVID-19-Krise die Starre unserer Welt auf. Die Starre der homogenisierten Großstrukturen, die Inflexibilität der großen Mengen, weiten Wege und der globalen Rohstoffabhängigkeiten. Vielleicht haben wir bei all den komparativen Tauschoptimierungen und theoretischen Wirtschaftsmodellen vergessen, dass man die Suppe auch würzen muss.

Augenscheinlich wird diese Entwicklung gerade auch wieder in der Landwirtschaft. Je größer, spezialisierter und optimierter die landwirtschaftlichen Fabriken sind, desto schneller und härter werden sie die Auswirkungen dieser Krise spüren. Wenn das Kraftfutter aus dem globalen Warenstrom zu Weltmarktpreisen nicht mehr geliefert wird, was sollen die 2, 3, 400 Kühe, die 5.000 Schweine oder die 20.000 Hühner fressen? Eben … Später folgen dann auch die 20 Kühe, 40 Schweine und 100 Hühner unserer Kleinbauern, aber sehr, sehr viel später. Und wer schlachtet dann die 2,3, 400 Kühe, die 5.000 Schwein und die 20.000 Hühner? Unsere schlecht bezahlten Arbeitskräfte aus den benachbarten Ländern in den wenigen heimischen Megaschlachtfabriken die es noch gibt? Und so weiter und so fort …

Es gibt neben Gewinnen und Optimierungen – quod erat demonstrandum – also wohl noch andere wesentliche Zutaten für für eine gelungene Suppe.

Und ob diese Suppe nun Brutto-Inlandsprodukt heißt, Marktpreis oder sonst einen uns bekannten und bald nicht mehr hinterfragten und damit umso fraglicheren Wahrheitswert trägt. Da fehlt das Salz, da fehlen die Gewürze, da fehlt die Liebe, wie man das beim Kochen sagen würde.

Und damit ist auch schon die Brücke zu meinem Lieblingsthema geschlagen. In der Berechnung des Wohlstandes fehlen die Menschen, in der Berechnung des Preises die meisten Kosten. Wir belügen uns in einer wirklich zerstörerischen und zynischen Art und Weise selbst. Das Kapital durchlebt einen permanenten Zustand völliger kognitiver Dissonanz, den es mit immer noch mehr vom Gleichen auszugleichen sucht. Die breite Masse fühlt sich machtlos und ist es vermutlich auch und dazwischen tummeln sich die wirklich Dummen, die, die diesen ganzen wirtschaftsliberalen Ceteris-paribus-Hokus-Pokus tatsächlich glauben, die Masse verachten und das Kapital verehren.

Es macht daher vermutlich Sinn zwei Ökonomen wieder etwas zu entstauben und unserer Welt wieder etwas von ihrem Geist einzuhauchen. Leopold Kohr & Ernst Friedrich Schumacher, Small is beautiful. 

 

… und wie es so schön im Untertitel von Schumacher heißt: „Economics as if People Mattered“

 

Moneyfest der Wahrheit

aDie Welt hat ganz offensichtlich den Sinn verloren, denn laut unseren Trendforschern sind wir Konsumentinnen und Konsumenten nun ganz vehement auf der Suche nach selbigem. Und nicht nur den Sinn haben wir verloren, auch unsere Seele, unser Chi, das psychische Wohlbefinden, #MotherNature und unseren Bezug zum Ursprung. Und wie es sich gehört, wird der verlorene Sinn erstmal im Konsum gesucht, liegt nahe, klar. Was kann ich anziehen, essen, downloaden oder unterstützen, um dieser Ursprünglichkeit wieder nahe zu kommen, um die Dissonanz meines Alltages in eine Harmonie mit Gaia zu drehen. Die Player haben das natürlich erkannt und versuchen uns bei der Suche zu unterstützen, in dem Sie uns zum Beispiel die Verpackung verschönern. Da wird plötzlich das Ei “Happy” und die Mahlzeit “guilt free”. Die Annahme dahinter: Wenn wir das lesen, dann fühlen wir uns besser, weil wir ja ein glückliches Ei verspeisen, vielleicht sogar ein glückliches Bio-Ei. Das Traurige dahinter: Es scheint tatsächlich zu funktionieren.

 

Ich kürze das ganze jetzt mal hier ab:

Punkt 1:  Die großen Player am globalen Foodmarkt besitzen 75% (in Worten: fünfundsiebzig) aller Marken, die wir im Supermarkt kaufen können. Nochmal: 75%!!!

Punkt 2: 75% aller global produzierten Nahrungsmittel stammt inzwischen von 12 Pflanzen- und 5 Tierarten.

Quelle: FAO / Wikipedia – https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_most_valuable_crops_and_livestock_products (mit weiteren Verweisen auf e.g. FAO)

Wir haben den Sinn verloren? Ach nein! Wenn wir die Vielfalt der Welt auf nicht mal 1% aller Möglichkeiten reduzieren und die Produktwelt – wir sind hier übrigens nur bei Nahrungsmittel – von ein paar wenigen dominiert wird, dann kann es doch auch möglich sein, dass sich so etwas wie eine geistige Mangelernährung ergibt, ergo Sinnverlust?!

 

Die Welt und die Gesellschaft (ja global) sind inzwischen komplett verblödet. Da betrifft uns alle, wir sind funktional verblödet, geht auch gar nicht anders. Die Welt ist inzwischen so ausdifferenziert, so komplex geworden, dass wirkliches Wissen zur Spezialaufgabe geworden ist und wir den Rest, der um uns stattfindet, einfach glauben müssen. Das glückliche Ei ist ein solcher Glaubenssatz, der Wissen suggeriert, dass hier glückliche Hühner ebenso glückliche Eier legen. Und glückliche Hühner lassen auch auf glückliche Bauern schließen, vielleicht haben die auch glückliche Kühe und sind vielleicht sogar glücklich verheiratet. Die Großen wissen viel über uns, sehr viel. Sie sind hier die Einäugigen, wir sind die Blinden.

 

Gut, aber worum geht es? Wir befinden uns in einem Dilemma. Unser Planet geht nämlich massivst vor die Hunde und vereinzelt merken wir das auch schon. Blöderweise sind fast alle von uns (Autor eingeschlossen) in diesem Szenario wieder die Blinden. Das Problem hier ist, dass wir in diesem Spiel die Weitsichtigen nicht von den Einäugigen unterscheiden können, weil wir selbst leider die Doofen sind.

 

Mit dem Beginn der Industrialisierung, der Nutzung fossiler Rohstoffe zur Düngung unserer Böden, dem Verlust der Biodiversität zugunsten verheerender Monokulturen, der Dauerverfügbarkeit von Fleisch, sind wir nicht nur ungesund und fett geworden, sondern haben auch unserer Welt die „Nährstoffe“ entzogen. Problem dabei: Ein paar Nährstoffe hat sie noch, unsere Welt. Und noch hält sich der Anschein, wir könnten aus dem scheinbar Vollen schöpfen. Die Großen, also unsere einäugigen Wissensvermittler in Ernährungsangelegenheiten, könnten ihr Geschäft jetzt einstellen, Wachstumsziele revidieren, ihre AktionärInnen auffordern auf Renditen zu verzichten, sich und die Welt gesundschrumpfen oder sogar einfach zu verschwinden. Werden sie das wohl tun? Genau. Sie machen bei gleichen oder steigenden Gewinnprognosen die Eier happy und ihr Mittagessen „guilt-free“.

 

Gut, aber worum geht es jetzt wirklich? Es geht darum, wie wir auch dem ganzen Schlamassel wieder rauskommen. Ausdifferenzierte Welt, alles komplex, keine zentrale Macht, die alles zum Guten wenden könnte, ergo Gott hält sich raus und belässt uns Babylon. Könnte also sehr schwierig werden, eine passende Lösung zu finden. Eigentlich fast unmöglich. Und jetzt möchte ich gerne tatsächlich auf den Punkt kommen. Die Lösung gibt es! Sie ist einfach zu begreifen, aufwändig umzusetzen aber ganz sicher nicht unmöglich. Es ist der Preis.

[…] die einfachste, universellste und wirksamste Sprache, die der Mensch je hervorgebracht hat.

 

Wir kennen die Lösung schon seit Ewigkeiten, sie heißt auch „Internalisierung externer Kosten“ oder einfacher „Kostenwahrheit“. So pöse[sic] der Preis und das mit ihm verbundene Geld auch immer beschrieben werden, so ist er doch die einfachste, universellste und wirksamste Sprache, die der Mensch je hervorgebracht hat. Der Preis steuert Kriege, Hunger- und Flüchtlingskrisen, globale Produktions- und Güterströme, Bildung, die Zusammensetzung Ihres Essens, Art und Mengen an Granulat in Babywindeln, einfach alles. Er setzt Alle mit Allem in Zusammenhang.

 

Stellen Sie sich nun vor, jemand hätte eine solche Macht. Stellen Sie es sich vor. Und nun stellen Sie sich vor, diese Person ist ein „notorischer Lügner“. Er schaut Ihnen in die Augen, ist Ihnen vertraut, Sie sehen sich täglich von früh bis spät. Diese Person sieht Ihnen also tief in die Augen und … lügt Sie an. Besser gesagt, sie sagt Ihnen immer nur einen Teil der Wahrheit. Sie hebt das Gute und Angenehme hervor und verschwiegt Ihnen das Schmerzhaft und die Nebenwirkungen. Die Tablette hilft gegen Kopfweh (… und verursacht Magengeschwüre), Die Wohnung ist toll (aber der Keller schimmelt). Genau so macht es der Preis. Blöderweise ist es dem Magengeschwür und dem schimmelnden Keller völlig egal, was Ihnen gesagt wurde. Es schmerzt und schimmelt weiter, bis ihr Magen ein Loch hat und das Haus in sich zusammenfällt.

 

Genauso geht es unserer Erde. Wenn wir die Erde reparieren wollen, wenn wir den kommenden Generationen wirklich helfen möchten, dann müssen wir aufhören mit den Symptomen zu spielen, sondern an die Ursachen zu gehen. Wir brauchen keine Plastiktaschen zu sparen, wir müssen nicht weniger Fleisch essen, weil wir es wollen und weniger Autofahren, weil es so unglaublich vorbildlich ist. Wenn all diese Dinge und alle anderen auch den Preis bekommen, den sie verdienen, dann regelt sich der Rest von selbst und das in einer Geschwindigkeit, dass es uns die Haare aufstellt. Oder sind Sie der Meinung, dass der Liter Diesel für EUR 1,30 der eigentlich richtige Preis ist? Das Kilo Schweinefleisch für EUR 3 oder das Rinderfilet für EUR 12? Sie alle haben ein paar von diesen Argumenten schon gehört. Und, was haben Sie, was hat der Autor getan. Gar nichts oder zumindest nichts von Bedeutung. Haben Sie im Geschäft schon mal mehr gezahlt als auf dem Etikett stand, oder an der Tankstelle die Rechnung mit drei multipliziert und dem verdutzen Tankwart erklärt, dass sei wegen der Kostenwahrheit. Wenn Sie jetzt aber einwenden, Sie hätte dem Bauern Ihres Vertrauens für den Speck vom „Ferdi“ (Name geändert) statt der geforderten EUR 15 eine Zwanziger in die Hand gedrückt, dann haben Sie sich nur für EUR 5 eine Extraportion Sinn eingekauft. Ich liebe es, wenn sich Kreise schließen. (siehe Anfang) In dem Fall, haben sie aber vermutlich wirklich einen „wahreren“ Preis gezahlt aber vermutlich immer noch nicht den „wahren“. Der Bauer selbst verrechnet Ihnen hoffentlich ein (für Ihn) faires Arbeitsentgelt, einen Ab-Hof-Premium-Aufschlag für die Stunde Zeit, die Sie ihm wieder gekostet haben, weil Sie noch über den Ferdi sprechen wollten. Und am Ende  kann er gar vom Erlös leben. Aber er selbst zahlt Energiepreise, Rohstoffpreise, etc die nicht der „Wahrheit“ entsprechen. Auch diese Produkte und somit auch seine müssten noch um einiges teurer werden. Haben Sie sich schmal überlegt, warum Bio-Lebensmittel eigentlich teurer sind als ihre konventionellen Alternativen? Antwort kurz: Weil der Preis ein Lügner ist. Antwort etwas länger: Weil beispielsweise die Kosten für den konventionellen Dünger nicht die Umweltfolgen der Erdölindustrie berücksichtigen. Ja, für viele Düngemittel ist Erdöl der Ausgangsstoff. So gesehen düngen wir unsere Äcker nicht, wir tanken sie. Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang ist der Verlust der nährstoffreichen Humusschicht, also jenem Teil unserer Böden, welcher dafür verantwortlich ist, dass überhaupt etwas wächst. Durch die zunehmende Überdüngung und immer mehr Monokulturen werden die Böden ausgelaugt und verlieren ihre Vitalität, welche sich über viele Jahrhunderte hinweg aufgebaut haben. Mit der Konsequenz, dass noch mehr gedüngt werden muss. Und so weiter und so fort. Und all diese Folgeeffekte finden wir dann im Kilo Karotten um EUR 0,80 pro Kilo, im Preis für importiertes Soja, etc.? Kleine Anmerkung hierzu: Bevor wir vor ca. 100 Jahren mit dem chemisch-synthetischen Überdüngen unserer Böden begannen, war eigentlich alles Bio. Bio ist der Urzustand, das eigentlich „Normale“, nicht dieses historisch gesehen kurze Jahrhundert der achtlosen Maßlosigkeit, welche die Welt von den Füßen auf den Kopf stellte. (ohne hier behaupten zu wollen, das früher alles besser gewesen wäre)

 

Problem an der Sache: Nur weil uns der Preis die gesamten Kosten nicht verrät, fallen Sie trotzdem irgendwo an, die verschwinden nicht, nur weil wir nicht an sie denken. Und wo fallen Sie dann an? Meistens dort, wo für die Konsequenzen die Öffentlichkeit zum Zug kommt. Der Preis zahlen wieder die Vielen für die Profite der Wenigen, für die Unfähigkeit unserer Ordnungsinstanzen, endlich einmal die Vernunft über den Profit zu stellen und somit das Wohl der Vielen über die unsägliche Gier der Wenigen.

 

Der Verlust an Biodiversität und folglich ein standardisierter, optimierter Markt für Nahrungsmittel (sofern man diese überhaupt noch so nennen darf) führen zu Wohlstandsproblemen wie Übergewicht, Diabetes Typ-2 oder einer Zunahme von Krankheiten des Herz-/Kreislaufsystems. Was denken Sie, wer die zunehmenden Kosten für das Gesundheitssystem zahlt? Sie! Zum einen zahlen Sie, in dem die Qualität des bestehenden Systems sinkt, da man mit gleichen Einnahmen einfach mehr Leistung erbringen muss. Zum anderen zahlen Sie, weil dieser Dynamik ja auch wieder über Preis- und somit über Steuererhöhungen entgegengewirkt werden muss. Wem denken Sie, tut das ganze mehr weh? Der Familie mit EUR 2.500 Haushaltseinkommen oder dem Agrarunternehmer mit 100.000 Hektar Ertragsfläche in Rumänien, der natürlich selber vermutlich kein Rumäne ist.

 

Einigen wir uns für das nächste Argument darauf, dass es einen Klimawandel gibt und dieser Wandel konsequenterweise auch Folgen mit sich bringt. (sonst hören Sie bitte spätestens hier auf zu lesen) Wer, denken Sie, trägt die Kosten für die Folgen außerordentlicher Ereignisse wie Überschwemmungen, Dauerregen, Dürre und all den sonstigen Extremwetterereignissen samt deren Auswirkungen? Richtig, wieder zum Großteil die öffentliche Hand, also wieder die vielen kleinen Bankenretterinnen und -retter, die immer dann einspringen, wenn die fetten, alten Männer das Buffet geplündert haben. Weil „Mutter Erde“ ist ja schließlich „to big to fail“.

 

Aber selbst die fetten, alten Männer würden vermutlich in dieser Welt Ihren Platz finden, wenn die Preise nicht so furchtbar verlogen wären. Fette, alte Männer optimieren. Sie optimieren Ihren Eigennutz auf Kosten aller anderen. Das grundsätzliche Dilemma „Mensch“ werden wir wohl zur Kenntnis nehmen müssen. Wir sind und werden nie eine Gesellschaft von Altruisten. Was wir uns aber geben können, ist ein vernünftiger Rahmen in einem vernünftigen System, ein Rahmen der für alle gilt. Alte, fette Männer, Mütter, Senioren, Hundebesitzer, Studentinnen, Bauern, Anwälte und Banker. Darin kann dann jeder optimieren, wie er lustig ist, reich werden, anders sein, lieben, hassen, weis der Geier was. Nur der Rahmen an sich darf dabei nicht in Frage gestellt werden, was aktuell aber unter der Prämisse eines grenzenlosen Wachstums geschieht. Und hierfür ist der wahre Preis der einzig valide und fähige Moderator. Keine Religion, kein System aus Normen und Gesetzen, keine innewohnende Moral kann diese feinstoffliche und vielschichtige Aufgabe leisten, alles mit allem in Relation zu stellen. Der Preis ist natürlich kein Lügner, das war gelogen. Er ist völlig neutral, genauso neutral wie ein EUR, ein Yen oder ein US-Dollar. Und genau diese Fähigkeit alles zu durchdringen und gleichzeitig nicht zu existieren macht den Preis zur mächtigsten Sprache, über die wir gegenwärtig verfügen.

 

Das oberste Ziel ist es daher, dass wir alle nur menschenmöglichen Anstrengungen darauf konzentrieren, das System der Kostenwahrheit so rasch und konsequent als nur irgendwie möglich in die Tat umzusetzen. Und weil sie ja gerade so intensiv auf der Suche nach dem Sinn sind,  könnten sich die Player doch gleich an dieser Aktion beteiligen, denn hier werden Sie mit Sicherheit fündig.

Micro Socials

Micro Socials

Seitdem ich denken kann, versucht sich die Politik am Lösen vieler großer Probleme. Viele der Probleme sind immer noch dieselben, wie vor 20 Jahren, einige sind neu hinzugekommen, jedoch kaum ein Problem ist verschwunden.

Dies liegt natürlich auch in der Natur der politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen, dass man diese eigentlich nicht lösen, vielmehr nur konstruktiv begleiten kann.

Viele dieser Probleme sind wirklich große Herausforderungen. Die Verteilung des Wohlstandes, die Bereitschaft Müll zu trennen, die Finanzierung des Gesundheits- und Sozialsystems, Bildung, Klimawandel, etc. etc.

Geht man ein Problem auf dieser Makro-Ebene an, dann muss man zwangsläufig scheitern. Auch dann, wenn man das große Problem in viele Einzelteile zerlegt und Heerscharen von ExpertInnen daransetzt.

Der Vorschlag, welchen ich hier unterbreiten möchte, geht weg von den eben erwähnten makroskopischen Phänomenen und sieht diese vielmehr als zufällige und systemische Konsequenzen viel einfacherer, viel basalerer Zustände.

Letztlich sind alle gemeinschaftlichen Phänomene auf die Summe der Ihnen zugrunde liegenden individuellen Handlungen über die Zeit zurückzuführen. Das Phänomen an sich ist natürlich hochkomplex und unmöglich kausal erklärbar, dennoch als solches real und von unmittelbarer Relevanz für uns. Wie bei allen komplexen Systemen kann man die einzelnen Effekte nicht genau beschreiben und gestalten. Es bleibt schließlich nur die Möglichkeit, die Rahmenbedingungen des Systems derart zu gestalten, dass man die Wahrscheinlichkeit für dieses oder jenes Ergebnis gegebenenfalls erhöht.

Genau zur Gestaltung dieser Rahmenbedingungen möchte ich mit diesem Vorschlag einen Beitrag leisten. Und dieser ist denkbar einfach und wird manchen gerade deswegen vermutlich im ersten Augenblick auch naiv erscheinen.

Jedes Phänomen ist auf die Summe der Einzelhandlungen über Zeit zurückzuführen. Handlungen werden von Menschen ausgeführt. Diese handeln sowohl rational, vielmehr aber auch intuitiv bzw. emotional. In einer sich zunehmend „atomarisierenden“ Gesellschaft leben Menschen immer stärker isoliert voneinander. Der Wettbewerb dominiert, Leistung steht im Vordergrund und darunter leiden fundamentale Aspekte wie zum Beispiel die Solidarität oder altruistische Haltungen. Wir entscheiden uns nicht gegen diese Aspekte, nein, sie kommen uns in feinen Scheiben abhanden. Aber auch wenn man von der Wurst immer nur feine Scheiben abschneidet, so wird sie doch letztlich verschwunden sein. So verhält es sich mit dem immer stärker bemerkbaren Prozess der gesellschaftlichen Desintegration und Vereinsamung. Die Konsequenz sind vereinsamte und vereinzelte Individuen, die sich auch entlang dieser Tendenz über die Zeit hin verhalten. Ihr emotionaler Zustand aggregiert sich zu eben diesen Phänomenen, welche man schließlich benennt und vergeblich zu lösen versucht.

Also, der Schlüssel zur Beeinflussung der Phänomene liegt im Empfinden aller Menschen. Schafft man es, hier einen Wandel herbeizuführen, dann wandeln sich auch die Phänomene. Es ist dabei völlig egal, ob das Phänomen ein ökologisches, ein wirtschaftliches oder ein migrationspolitisches ist.

Wie kann man nun zu einem positiven Wandel des individuellen Empfindens beitragen. Mit sogenannten „Micro Socials“, also kleinen sozialen Gesten.

Hierfür möchte ich zwei wesentliche Elemente dieser Micro Socials hervorheben. Zum einen sind dies die sog. „Nudges“ (Thaler/Sunstein). Durch diese kleinen Stupse in Form von positiven Handlungen sollen Menschen dazu angeregt werden, ihr Verhalten entsprechend zu ändern. Schafft man es nun, mit Hilfe dieser Nudges eine breitere Masse zu überzeugen und wird dieser Prozess selbst laufend, also viral, dann trägt sich die Veränderung selbst. Dies ist das zweite Element. Im Grund zeigt man ein positives, vorbildliches Verhalten, welches dann massenhaft wiederholt wird und so auch positiv auf viele draus entstehende Phänomene wirkt.

Beispiel für solche „Micro Socials“ sind:

  • Man hält jemandem die Tür auf
  • Man hilft jemandem in den Mantel
  • Man stellt den Fuß in die U-Bahn-Tür, wenn man sieht, dass jemand läuft
  • Man wartet im Lift, wenn noch jemand kommen und dreht sich nicht weg

Das Prinzip dahinter ist relativ einfach. Durch diese kurzen und unverbindlichen Gesten wird ein „Ich schau auf dich / Du bist mir nicht egal / Ich nehm dich wahr / …“ signalisiert. Das Gegenüber freut sich, machte es beim nächsten Mal vielleicht sogar selbst. Jeder hat wohl schon so einen Moment erlebt und diese sind trotz oder vielleicht ob ihrer Einfachheit sehr wirkmächtig.

Die Vorteile solcher Micro Socials liegen auf der Hand. Sie kosten nichts, können ohne Aufwand in den Alltag integriert werden und im schlimmsten Fall passiert nichts. In den meisten Fällen bekommt man ein Lächeln oder ein Danke, mehr ist auch nicht notwendig.

Aus Perspektive einer politischen Aktion könnte man Micro Socials in Form einer Plakatkampagne, via Social Media aber auch im täglichen Umgang verwerten. Keine großen Programme, Reformen und Versprechen, die dann im Zeitlauf vergehen und verschwimmen. Das bringt zwei große Vorteile: Zum einen muss man nichts versprechen, dass man nicht halten kann. Viel wichtiger ist jedoch der Vorteil der Aufmerksamkeit des Wählers, da man hier ein völlig neues Konzept politischer Kommunikation und Aktion anwendet.

Natürlich ist dieses Konzept kein Wundermittel, aber ich sehe es als einen wertvollen und konstruktiven Beitrag hin bzw. zurück zu einer gemeinschaftsorientierten politischen Kommunikation.

 

Von Elend und Magie der Endlichkeit

 

 … eine unvermeidbare Feststellung 

 

Allen Dingen die wir lieben ist eines gemein: Die sind endlich. Endlich in ihrer Verfügbarkeit, endlich in ihrem Bestehen.

Die oberste Grenze aller Liebe ist das Leben selbst. Unser Leben ist zugleich das unmittelbarste, was wir zu lieben in der Lage sind und somit auch das Wertvollste, das wir haben. Die Liebe ist umso intensiver, je mehr sie sich ihres unweigerlichen Endes bewusst ist. Das ist keineswegs ein Grund zu trauern, es sei denn, man will sich der Realität der eigenen Endlichkeit nicht stellen. Tut man dies aber, so ist es gerade dieses Ende alles Wertvollen, was dessen Wert erst ausmacht.

Ich liebe einige Menschen auf dieser Welt. Ein paar davon ganz besonders. Es wird der Tag kommen, die Minute, der Augenblick, in dem ich diesen Menschen das letzte mal berühre, ich ihn ein letztes Mal lächeln sehe, er ein letztes Mal bei mir ist. Beim nächsten Mal bin ich alleine und er ist weg, nicht mehr da. Nicht nur heute, nicht für lange, für immer.  Vielleicht bin auch ich es, der weg ist, wobei mir dieser Gedanke bei weitem erträglicher ist, auch wenn er mir nicht fair erscheint.

Manchmal möchte ich alles Schöne beenden, sobald es sich zeigt, einfach aus der Angst, es wieder zu verlieren. Je länger man etwas liebt, desto unvorstellbarer wird der Gedanke, es könnte einmal nicht mehr sein. Vielleicht vergeht die Liebe auch langsam, ohne dass es zu sehr weh tut, bevor das Leben sie einem nimmt. Soll ich das Leben dafür hassen, dass es die Angewohnheit hat, alles Schöne und Liebgewonnene zu nehmen, endgültig? Natürlich kann ich es hassen, nur dem Leben an sich wird das wohl egal sein.

Es gibt keine Regel, keine allgemeine und immer gültige Anleitung, wie ich über das Leben oder was auch immer zu denken habe. Wir richten uns mehr oder weniger nach Normen, Konventionen und kopieren in unserem Tun andere und andere auch wieder nicht. Nichts davon, zu keiner vergangenen Zeit und zu keinem Zeitpunkt vor uns, wird jemals richtig sein und auch nicht falsch. Wir sind in unserem Tun und Denken prinzipiell frei. Unter dieser Prämisse entscheide ich mich für das Leben, die Liebe und deren Endlichkeit.

Denn auch wenn mir der Gedanke schon jetzt unerträglich ist, dich nicht mehr berühren zu können, so möchte ich die wenigsten bis dahin berührt, gefühlt und geliebt haben.